IMPRESSUM

Wirksamkeit der Bestellung eines unter Betreuung stehenden Gesellschafters

LG München I, Endurteil vom 05.08.2021 – 14 HK O 9211/20

1. Sachverhalt und Hintergrund des Rechtsstreits

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage der Gesellschafterstellung des Klägers in der Beklagten zu 1. Der Kläger, der unter rechtlicher Betreuung steht, ist der Sohn von E. R. und des am 19. Januar 2020 verstorbenen P. R. Beide Elternteile waren bis zum Tod von P. R. seine Betreuer und hatten Einzelvertretungsberechtigung. Die Betreuung umfasste auch die Vermögenssorge. Nach dem Tod von P. R. wurde Frau I. D. am 11. März 2020 als zusätzliche, einzelvertretungsberechtigte Betreuerin für den Kläger bestellt.

Die Beklagte zu 2 ist die Ehefrau von M. R., dem Halbbruder des Klägers. M. R. ist ebenfalls Sohn von P. R. und war in den Vorgang der Gesellschaftsbeteiligung involviert. Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob der Kläger rechtmäßiger Gesellschafter der Beklagten zu 1 ist oder ob eine Übertragung der Anteile auf die Beklagte zu 2 wirksam vollzogen wurde.

2. Gesellschafterstruktur der Beklagten und frühere Anteilsverteilung

Die Beklagte zu 1 wurde von den Eheleuten P. und E. R. im Jahr 2005 mit einem Stammkapital von 25.000 Euro gegründet. Beide hielten jeweils einen Anteil von 12.500 Euro. Die Satzung der Gesellschaft sah vor, dass die Verfügung über Geschäftsanteile, wie etwa eine Abtretung, nur mit einem einstimmigen Zustimmungsbeschluss aller Gesellschafter wirksam sei.

Im Jahr 2008, mit einer notariellen Urkunde vom 5. Dezember, teilten P. und E. R. ihre Anteile in jeweils zwei Geschäftsanteile zu je 6.250 Euro auf. P. R. schenkte seinem Sohn aus erster Ehe, M. R., zwei Anteile, während der Kläger die anderen zwei Anteile erhalten sollte. Die Abtretung an M. R. wurde sofort wirksam, während die Abtretung an den Kläger erst mit der Genehmigung des Familiengerichts in Kraft treten sollte.

3. Genehmigung der Anteilsabtretung und spätere Eintragung

Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zur Anteilsübertragung an den Kläger erfolgte im Juni 2009. Trotz dieser Genehmigung wurde die Gesellschafterliste erst im Januar 2020 aktualisiert, als der Geschäftsführer der Beklagten zu 1 eine neue Gesellschafterliste beim Handelsregister einreichte. Diese Liste wies den Kläger als Gesellschafter aus, was am 20. Januar 2020 in den Registerordner aufgenommen wurde.

Am 17. Januar 2020 veräußerte der Kläger, vertreten durch P. R. als seinen Betreuer, die Geschäftsanteile an die Beklagte zu 2. Die notarielle Urkunde sah vor, dass die Übertragung der Anteile unter der Bedingung der Zahlung des Kaufpreises erfolgen sollte. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde ein Gesellschafterbeschluss gefasst, in dem der Übertragung der Anteile zugestimmt wurde.

4. Argumentation des Klägers: Unwirksamkeit der Übertragung

Der Kläger machte geltend, dass die Abtretung seiner Geschäftsanteile an die Beklagte zu 2 unwirksam sei, da die nach der Satzung erforderliche Zustimmung aller Gesellschafter nicht vorlag. Insbesondere sei seine Mutter, E. R., nicht zur Gesellschafterversammlung eingeladen worden, in der die Zustimmung zur Übertragung beschlossen wurde. Nach Ansicht des Klägers war E. R. zu diesem Zeitpunkt noch Gesellschafterin, da die neue Gesellschafterliste erst nach der Versammlung in das Handelsregister aufgenommen worden war.

Zudem argumentierte der Kläger, dass die Übertragung der Anteile einer Genehmigung durch das Betreuungsgericht bedurft hätte, da sie das Vermögen des Klägers betraf. Diese Genehmigung sei jedoch nicht eingeholt worden, weshalb der gesamte Vorgang unwirksam sei.

5. Entscheidung des Landgerichts und Berufungsverfahren

Das Landgericht entschied zugunsten des Klägers und erklärte die Übertragung der Geschäftsanteile an die Beklagte zu 2 für unwirksam. Es stellte fest, dass der Kläger weiterhin Gesellschafter der Beklagten zu 1 sei und dass die Beklagte zu 1 verpflichtet sei, eine entsprechende Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen.

In der Berufung, die von den Beklagten eingelegt wurde, wurde erneut geprüft, ob die Zustimmung zur Anteilsübertragung wirksam erteilt worden war. Der Senat kam zu dem Schluss, dass die durch P. R. als Betreuer abgegebene Zustimmungserklärung unwirksam war, da ein Interessenkonflikt gemäß § 1795 BGB vorlag. P. R. war in seiner Funktion als Betreuer des Klägers in einen familiären Interessenkonflikt verwickelt, der durch seine Verbindung zu M. R. und der Beklagten zu 2 entstand.

6. Urteil und rechtliche Begründung

Der Senat bestätigte das Urteil des Landgerichts und entschied, dass der Kläger nach wie vor Gesellschafter der Beklagten zu 1 ist. Obwohl die notarielle Urkunde vom 17. Januar 2020 eine Zustimmung zur Anteilsübertragung beinhaltete, war diese Zustimmung aufgrund des Interessenkonflikts unwirksam. Nach § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB darf ein Betreuer keine Rechtsgeschäfte tätigen, bei denen ein Interessenkonflikt besteht. Da die Beklagte zu 2 die Ehefrau von M. R. ist, der ebenfalls ein direkter Verwandter des Betreuers P. R. war, lag ein solcher Interessenkonflikt vor.

Zudem führte das Gericht aus, dass eine Genehmigung durch einen Ergänzungsbetreuer hätte eingeholt werden müssen, was jedoch nicht geschehen war. Da die weitere Betreuerin des Klägers, Frau I. D., durch die Klageerhebung klargestellt hatte, dass sie die Anteilsübertragung nicht genehmigte, war keine nachträgliche Genehmigung möglich. Somit blieb die Zustimmungserklärung endgültig unwirksam.

Das Gericht wies die Berufung der Beklagten zurück und stellte fest, dass die Gesellschafterstellung des Klägers bestehen bleibt. Es erklärte den Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 17. Januar 2020, mit dem die Übertragung der Anteile des Klägers an die Beklagte zu 2 genehmigt worden war, für nichtig. Die Beklagte zu 1 wurde zudem verpflichtet, eine aktualisierte Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen, in der der Kläger weiterhin als Gesellschafter geführt wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden den Beklagten auferlegt. Eine Revision wurde nicht zugelassen, da keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vorlag und keine Abweichung von der bestehenden Rechtsprechung erforderlich war.

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Quelle: Oberlandesgericht München